
Pilgerspuren im Norden
Doppelausstellung im Museum Lüneburg und im Museum Schwedenspeicher, Stade
Es ist über 35 Jahre her, dass sich eine große deutsche Ausstellung dem Pilgern im Mittelalter gewidmet hat. Nun präsentiert eine Doppelausstellung in Lüneburg und Stade die spannenden und zum Teil überraschenden Ergebnisse eines gemeinschaftlichen Forschungsprojekts der beiden Museen. Erstmals wurde damit umfassend das spätmittelalterliche Pilgerwesen in Norddeutschland untersucht. Beide Ausstellungen entführen Besucherinnen und Besucher in eine uns heute fremd anmutende Welt mit einer vielfältigen Frömmigkeitskultur. Dabei ist das Thema Pilgern heute – nicht zuletzt durch Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ – wieder sehr populär. So waren noch im letzten Jahr fast 350.000 Pilger auf dem berühmten Jakobsweg unterwegs.
Durch die Reformation, die der Heiligenverehrung ein jähes Ende setzte, blieb Norddeutschland für Jahrhunderte ein weißer Fleck auf der Karte der Pilgerwege, dabei gab es hier im Mittelalter sehr viele Pilgerwege, Wallfahrtsorte und Menschen, die sich auf die Reise machten.
Beide Ausstellungen nehmen ihre Betrachter mit zu den Ursprüngen des Pilgerns und machen deutlich, wie komplex die Vorstellungswelt vor über 500 Jahren war. Während Pilgerreisen heute oft ein mehr oder minder spirituelles Erlebnis oder einfach ein Synonym für entschleunigte Wanderungen sind, waren sie früher essentiell für den Sündenablass und zur Erlangung des ersehnten Seelenheils. Prof. Dr. Heike Düselder und Dr. Sebastian Möllers, die Museumsleitungen der beiden Häuser, freuen sich sehr auf die Eröffnungen: „Die Ausstellungen beleuchten das Thema unter zwei ganz verschiedenen Gesichtspunkten und machen mit einzigartigen Exponaten die Bedeutung des Pilgerns im Mittelalter im Vergleich zu heute sichtbar.“

Pilgerspuren – Von Lüneburg an das Ende der Welt
26. Juli (Weltpilgertag!) – 01. November 2020
Den Auftakt bildet die Sonderausstellung „Pilgerspuren – Von Lüneburg an das Ende der Welt“ im Museum Lüneburg, eröffnet am 26. Juli, dem Weltpilgertag. Sie widmet sich den mittelalterlichen Pilgerreisen zu den berühmten Fernwallfahrtsstätten in Santiago de Compostela, Rom und Jerusalem. Die Gräber der Apostel Jakobus, Petrus und Paulus sowie die heiligen Stätten um das Grab Christi waren herausgehobene Orte des Christentums, mit deren Besuch der Pilger ein besonderes Zeugnis des Glaubens ablegte.
Anhand vielfältiger Exponate, darunter herausragende Objekte von mehr als 40 auswärtigen Leihgebern, erzählt die Ausstellung Geschichten von Reisenden aus Lüneburg und anderen norddeutschen Städten und folgt ihren Spuren bis fast an das Ende der ihnen bekannten Welt. Dargestellt werden die Motive für den Antritt einer Fernwallfahrt, der Aufbruch, die Ausrüstung von Pilgern, die teilweise abenteuerlichen Bedingungen des Unterwegsseins und der Aufenthalt vor Ort.
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Holzschnitt der Grabeskirche aus dem Bericht zur Reise des Prager Bürger Ulrich Prefat ins Heilige Land im Jahr 1546, Prag, 1563,
© Bibliothek des Strahov-Klosters Prag -
Jakobspilger, Kalkstein, um 1350, Städtisches Museum Herford (Foto: Michael Tölke)
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Rosenkranz aus Gagat, Galicien, 15. Jh., Gagat, Perlmutt, Silber, Seidenschnur (Foto: Museum Lüneburg)
Rosenkränze aus Gagat sind ein häufiges Mitbringsel aus Santiago de Compostela -
Bürgermeister und Ratsmannen von Lüneburg beglaubigen den Bürgermeister Albert van der Molen für seine Entsendung nach Rom,
Lüneburg, 17. November 1453, Pergament, Siegel der Stadt Lüneburg, © Stadtarchiv Lüneburg
Neben Reiseberichten zeugen Briefe und Wegekarten von den Herausforderungen und Mühen des Pilgerns. Zu den mitgebrachten Reiseandenken zählen Muscheln aus Santiago, Pilgerzeichen aus Rom oder Modelle der heiligen Stätten in Jerusalem. Schrift- und Bildzeugnisse berichten aber auch von bezahlten oder gescheiterten Reisen, falschen Pilgern oder dem Tod auf der Reise. Videos aus dem Vatikanischen Apostolischen Archiv und einem seit Jahrhunderten in Familienbesitz befindlichen Tattoostudio nehmen die Besucher mit nach Rom und Jerusalem.